Dienstag, 31. Mai 2011

Sparmassnahmen

Nun werden einige schlaflosen Nächte bevorstehen:
Der Board des APC's hat mir mitgeteilt, dass wir uns stark einschränken müssen, die Ausgaben nur noch auf das Nötigste reduzieren.
Wir überlegten und hatten einige Ideen bereits realisiert. So ersetzten wir eine gebrochene Violinsaite nicht mehr mit einer neuen, sondern mit einer alten Saite, welche wir von einer Geige, die im Moment nicht gerade gebraucht wird, wegschraubten.
Löhne zu kürzen geht nicht, da sie ohnehin etwas mager sind. Arbeitende entlassen wäre ein Verbrechen bei der über 60%igen Arbeitslosigkeit in Namibia.
Bei der monatlichen Verteuerung der Lebensmittel hatte ich vorgeschlagen, den Lehrern, Lehrerinnen und den Arbeitern im APC kein Mittagessen mehr zu offerieren. Das Mittagessen war für sie gratis, eine Art Anerkennung für ihre Arbeit im APC. Schon seit 2 Wochen machte ich mit Sparen ernst, und es wurde nicht mehr gekocht. Heute aber habe ich feststellen müssen, dass die ohnehin schon dünnen Leute noch dünner geworden sind. Die Tanzlehrerin kam mir heute spindeldürr vor. Als ich sie fragte, was sie zuhause esse, sagte sie: Hirsemuss mit Sauce am Abend.
Manche Lehrer standen mittags vor meiner Küchentür und fragten, ob mein Kühlschrank auch leer sei.
Einer meinte sogar, dass ich Kühlschrank, Elektro-und Solarofen verkaufen solle, damit wieder Geld fürs Mittagessen reinkomme; denn Brot genüge doch auch.  "Am nächsten Freitag werden wir das Sparen am Morgenmeeting besprechen", vetröstete ich .

Sonntag, 29. Mai 2011

das Konzert ging weiter

Foto wurde am Mittag während der Hauptprobe aufgenommen.
Der erst 14 jährige Dirigent hatte uns alle überrascht.
"He Du dort, spiele ein F, kein Fis!" Jeder Spieler und jede Spielerin wurde bei einem unklaren Ton oder falschem Einsatz vom Dirigenten sofort korrigiert; dabei begann der Junge zu schwitzen- eine harte Arbeit mit über 20 Kindern! Er hat ein ausgezeichnetes Gehör und ist bereits fähig, ein 5 stimmiges Stück vertikal zu lesen. Am Abend war er etwas traurig, weil seine Mutter nicht ins Konzert gekommen war.
Das erste Mal gelang es uns, das Konzert auf  90 Minuten zu verkürzen. Es war ja auch zu kalt, länger auf den eiskalten Zementbänken zu sitzen; 9° schon Ende Mai, wo es eigentlich noch etwas warm sein sollte. Trotz der Kälte und der immer wieder ausfallenden Mikrophone waren die Zuschauer und auch Spieler ganz zufrieden.

Silent Killer

Aus dem Rauch stiegen sie am Samstag Abend auf, die 8 stillen Mörder auf der Bühne im APC.
Der dumpfe langsame Rhythmus wurde immer lauter, und die Zuschauer mäuschenstill und gespannt, was jetzt kommen wird. Die tänzerischen  Mörder verränkten anfangs ihre Schultern langsam, und dann plötzlich, als der Rhythmus schneller und schneller wurde, schnellten sie in die Höhe, drehten zackige Kreise, und bald war der Kopf unten,  die Füsse oben; und der Zuschauer's Geschreie verstärkte die Wildheit dieser Kwaitotänzers.
Nach 15 Minuten war dieses Spektakel vorbei, und die Konzertansagerin begrüsste die Zuschauer. Inzwischen waren die meistenPlätze eingenommen worden. Auch erstaunlich viele Eltern waren dabei.

Samstag, 21. Mai 2011

Gartenschlauch und Rosenkranz

"Miss Lis, Miss Lis..." fast pausenlos schrien da Buben von der Strasse her. Noch im Pijama schaute ich nach, wer so früh am Samstag morgen schon Miss Lis schrie. Wieder die Cello-Boys, diesmal nur 4; denn sie hätten den 5 Kameraden nicht mitgenommen, weil er so falsch spiele und viel esse. Ich händigte ihnen die Schlüssel aus und forderte sie auf, gut zu üben; denn morgen werde eine Gruppe Touristen aus meiner Heimatgegend auf Besuch kommen. "Werden sie uns etwas Süsses bringen?" "Sicher auch noch T-shirts, " gab ich zurück, und dann rannten sie Richtung APC los. Kaum hatte ich meinen Morgenkaffee zu geniessen begonnen, jagten die Katzen einer der kleinen schwarzen Schlangen nach, die angeblich sehr giftig seien, und dies unter meinem Küchentisch. Ein Schauspiel, wie das Katzenweibchen in Sekundenschnelle das Schleichtier zerriss. Die Katzen gingen, und mir blieb die Entsorgung übrig.
Nach einer halben Stunde , als ich normal bekleidet das APC betrat, staunte ich nicht schlecht, wieviel Betrieb schon so früh am Samstag Morgen statt fand. Jerome, der das APC Kinderorchester leitete, dirigierte schon heftig, aber niemand schaute hin. Er merkte es nicht und schien an seinen Auf-und Ab Armbewegungen grosse Freude zu haben. Es ist ja auch nicht nötig, hinzuschauen; denn diese Spieler hier können alle auf 4 zählen. Ein Stück von Cesar Bresgen und ein vom "Dirigenten" selbst komponiertes Lied wurden schön gespielt. Aus dem Nebenraum tönten die Trommeln und das Jauchzen der Tanzmädchen, und auf der Bühne strichen die 4 Cellobuben die Saiten, lächelten brav dazu; denn sie waren sich gewiss, dass sie morgen ein T-shirt erhalten werden.
Da tappte noch die wohlbeleibte Mutter Magdalena daher, einen grossen Plasticsack schwenkend. Bei mir angekommen, zog sie aus dem Sack ein weisses Kopftuch mit dem Aufdruck "Praise the Lord" NACAWA. Sie fragte mich schüchtern, ob ich Zeit hätte, über dem Wort Nacawa eine Taube mit einem Rosenkranz um den Hals zu malen. Sie hätte 25 solche Tücher hier. Ich gab ihr die Anweisung, am Montag zu kommen, wenn der Zeichnungslehrer anwesend sein werde. Sie verneinte und bettelte inbrünstig, ging sogar auf die Knie und sagte, dass sie doch auch katholisch sei. Nacawa sei eine Frauengruppe der katholischen Mission und morgen bräuchte sie diese Kopftücher für die Kirche. Das sei wirklich zu spät, wollte ich ihr erkären, und dann klagte sie in einem weinerlichem Ton, wie ich sie schon das zweite Mal abweise. Ich erinnerte mich, wie sie einmal meine Küche reinigen wollte und mit einem Gartenschlauch zur Tür hereinkam. Und als ich sie beim Wasserstrahlen stoppte, da die Stuhl-und Tischbeine aus Holz waren, sagte sie bloss : "Kein Problem; denn die Küche sei so dreckig!" Schon damals hatte ich Mühe, sie los zu werden; aber sie brauchte dringend Geld.
Magdalena hat ein halbes Dutzend Enkelkinder, für die sie sorgen muss, da die meisten Mütter nicht mehr leben.

Mittwoch, 18. Mai 2011

engelreine Töne

Die 5 Cello-Bengel von gestern begannen heute kräftig zu streiten und beschuldigten einander, keine reinen Fis zu spielen. Einer schrie zu seinem Nachbarn, F und Fis nicht unterscheiden zu können und hob den Bogen; aber schnell, aus Angst um den teuren Bogen, rannte ich zu ihm, und-zum Glück-, liess er vom Schlagen ab, setzte sich und befahl allen, diesen 5. Takt so lange zu üben, bis er schön tönt. Wir übten und spielten, und als es schön und rein klang, wollten sie alle das ganze Stück von vorne spielen. Sie wiederholten es mehrmals und fühlten sich richtig wohl dabei.

Dienstag, 17. Mai 2011

Schafe im Wolfspelz

Der Prinzipal der Primarschule erklärte diese Buben hier für bankrott; sie seien Lausbuben bis zum "Gehtnichtmehr", die schlimmsten Bengel im ganzen Schulhaus.
Und hier im APC: Engel mit dem Cello im Ensemble heute abend. Mit voller Konzentration versuchten sie ohne Fehler zu spielen, und am Ende, als der "Dirigent" ihr Cellospiel lobte, huschte ein zufriedenes Lächeln über ihr Gesicht.

Montag, 16. Mai 2011

Beitrag zur Hygiene

Im APC gekam jeder Lehrer und jede Lehrerin einen kleinen Garten zugewiesen, der täglich gestaltet und gepflegt werden muss.
Die Frage kam bei einigen auf, weshalb sie für diese Arbeit nicht bezahlt seien.
Ich denke, dass über diese Gartenarbeit Verantwortung eingeübt werden kann.
Am Sonntag besuchte ich einen Lehrer, der in einer schäbigen Blechhütte im Armenviertel wohnt. Ich staunte recht, als er mir seinen gepflegten Garten mit Stolz vorführte und alle Blumen und Kakteen beim Namen nannte. Seine Hütte werde er Schritt für Schritt verschönern, neues Blech anbringen und dieses am Schluss farbig bemalen. Mir fiel auf, dass kein Plastik, keine Flaschen und kein Müll herumlag, so wie ich es normalerweise bei andern Blechhüttenwohnungen beobachte. Auch wenn er weit bis zum nächsten Brunnen zu laufen hat, war das Kochgeschirr sauber und die Feuerstelle aufgeräumt. Er werde für einen Solarkocher Geld sparen.

Sonntag, 15. Mai 2011

Lebendiger Grabstein

Vor mehr als 2 Jahren besuchte uns eine kulturinteressierte und aufgeschlossene Touristengruppe aus dem Vorarlberg und der Schweiz. Wir gaben ihr ein Konzert, und anschliessend stellten uns die Zuschauer viele interessante Fragen.
Ein Jahr später besuchte uns einer dieser letzten Gruppe, Walter Benath; und er begann uns in einer besinnlichen Ruhe zu erzählen:
Meine Frau Helga ist gestorben und hatte vorher gewünscht, dass ihre Asche in der Wüste Namib ausgestreut werde. Ich kam nun hierher und habe  die Asche meiner Frau in der Namib-Wüste dem Wind übergeben. Und hier habe ich einen Check, womit ihr ein weiteres Musikhaus bauen könnt!"  Wir waren alle so überrascht, dass wir kaum richtig zu danken vermochten.
Und heute steht das grösste Haus mit dem Namen der verstorbenen Frau "Helga Benath-Nägele" hinten neben der Bühne, das am meisten von den Kindern, Jugendlichen und Lehrern benutzt wird, nämlich für die African Performances: Hier wird täglich mit Marimben musiziert, getrommelt und getanzt, also ein lebendiger Grabstein, der uns täglich an Helga erinnert; denn ihr Name ist mit Gold oben an der Eingangstüre geschrieben.
So bleibt Helga unter uns lebendig.

Mittwoch, 11. Mai 2011

Gute Konzerte zahlen sich auch schlecht aus

Vor einigen Wochen gab das APC Tsumeb ein qualitativ hochstehendes Konzert. Der Zuschauerraum war überfüllt. Auf der hintersten Reihe sassen einige Militärs und schienen genau zuzuhören und zu beobachten. Da es mir nicht geheuer vorkam, begrüsste ich speziell diese Männer gegen Ende des Konzertes und machte die Bemerkung, dass es sehr nett sei, sogar Militärs unter uns zu haben, falls sie nicht wieder mit der Absicht kommen, die besten Musiker/innen dem APC mit höherem Lohnversprechen abzuwerben- Zum Glück lachten sie und schüttelten den Kopf. Wenige Tage später erschien in der namib.Tageszeitung ein grosses Inserat , wo gute Musiker/innen für die Militärband gesucht werden.
Und heute las ich in der Zeitung all die vielen Namen von Musikern oder Musiklehern/innen, welche sich für das Militär angemeldet haben. Es fiel mir auf, wie in den letzten Tagen immer wieder Jugendliche, die ich noch nie gesehen habe,  mir mit der Bitte kamen, ihnen ein Musikzertifikat zu drucken, denn das Militär verlange ausdrücklich ein Musikzeugnis vom APC. Als ich mich weigerte, solch falsche Diplome auszustellen, wurden einige sehr traurig und gingen mit der Bemerkung, dass sie so nicht zu einem Job kommen können. Je mehr aufdringlicher sie mich um so ein Papier baten, desto hartnäckiger blieb ich und sagte laut, dass ich keine falschen Papiere ausstelle, und dass ich deswegen nicht wieder im Gefängnis landen möchte. Das verstanden sie dann endlich und nahmen ein Anmeldeformular fürs APC entgegen. Alle wollen nun Trompete lernen, und ich habe keinen Trompetenlehrer. Der letzte wurde vom Militär abgeworben.

Dienstag, 10. Mai 2011

Geisterstunde

Ein warmer Herbstabend
Junias, rechts im Bild, kam mit seinen 10 jungen Freunden, welche alle bei ihm Gitarrenstunde nehmen, mit der Bitte zu mir, ihnen etwas Brot mit Zutaten zu geben, da sie nach 3 stündigem Ueben etwas hungrig und müde seien. Auf meine Bitte hin, heimzugehen, bet er etwas fordernd, es sei doch so schön hier in meinem Garten. Ich willigte ein,  denn ich wusste um ihre meserable Situation "zuhause".
Später, als es schon dunkel war, setzte ich mich zu ihnen. Junias erzählte dramatisch eine Geistergeschichte, die er angeblich im Owambo erlebt hatte: Eine schwarze Katze sprang auf sein Nachtlager. Es war keine richtige Katze; denn sie ging durch die Wand, und seine böse Nachbarin hätte Besitz dieser Katze genommen. Er erzählte, wie das immer grösser werdende Tier die Pfoten in menschliche, übergrosse Hände, verwandelte und ihn zu würgen begann. Als ich sah, wie die Kinder sich ängstigten, unterbrach ich den Erzähler mit der Frage, ob er dies selber glaube, worauf er ganz entrüstet mit einem " OOH YES " zurückschlug. Auf diese Weise seien ja auch seine Eltern umgekommen.

Donnerstag, 5. Mai 2011

Katima Mulilo

Am Sonntag fuhren Hans Leu und ich 1000 km gegen nordosten Namibias nach Katima Mulilo, immer geradeaus, und man musste so vorsichtig fahren wegen der vielen Schlaglöcher, welche der lange und heftige Regen hinterlassen hatte und wegen der Elefanten, die da plötzlich von der Seite her in die Strasse zu rennen drohen; d.h. man fuhr einen Tag lang von Otjiwarongo nach Katima Mulilo.
Abends in der Dunkelheit war es gar nicht so einfach, ein Restaurant aufzusuchen.



Am andern Tag hielten wir ein Meeting mit einem Gemeindeleiter, welcher hier ein Arts-Performance-Centre aufbauen möchte. Hans Leu erklärte ihm das technische Vorgehen und betonte, dass die Leute hier selber so ein Zentrum aufbauen und leiten müssen, und es sei wichtig, zu wissen, dass wir nur eine Anfangshilfe in Form von Kursen, Instrumenten und nötiges Material liefern.
Die Leute haben dies sehr gut verstanden; denn seit dem letzten Workshop im Januar , wofür 13 Leute nach Tsumeb für die Musiklektionen kamen, übten sie zuhause täglich. Sie waren nun fähig, uns ein kleines Konzert zu bieten.

Am späteren Nachmittag führte uns ein kleines Schiff auf dem riesengrossen Zambesifluss umher. Der Fluss schien mir breiter als der Walensee.
Hippos und Krokodile waren wegen des Hochwassers nicht zu sehen.






Das sind Baumkronen, die aus dem Wasser ragen. 6 Meter ist die Wasseroberfläche über dem normalen Stand.
Ein deutscher Tourist stieg mit uns auf dieses Boot und bat uns höflich, mit ihm zusammen die mitgebrachte Flasche Wein zu seinem 50 Geburtstag zu trinken.Wein ist immer gut gegen die Angst.
Am andern Tag gings wieder zurück nach Otjiwarongo und für mich dann heim nach Tsumeb. Vorläufig ist Hans Leu noch auf mein Auto angewiesen; denn im letzten Dezember wurde es bei einem Unfall zertrümmert.