Donnerstag, 15. Januar 2015

Unmöglich, aber wahr

Heute kam ein sehr hochgewachsener, ganz schwarzer, junger Mann mit dunkler übergrossen Sonnenbrille in schwarzem Anzug zu mir um Arbeit zu fragen. Er sei ein Künstler und wolle Zeichnungsunterricht erteilen. Mit leiser Stimme hauchte er seinen Namen hervor. Als ich ihn bat, die Sonnenbrille abzulegen, widersprach er und drehte das Gesicht weg. Ich fragte nach irgend einem Ausweis, nach einem Schulzeugnis etc. Doch er zog nur seine Identitätskarte hervor, auf dessen Foto ich sein Gesicht endlich sehen konnte. Sein rechtes Auge war so entstellt, dass man bei dessen Anblick Furcht bekam. Er habe mit 7 Jahren einen Unfall mit einem Ochsen gehabt. "Ich brauche dringend einen Zeichnungslehrer für die vielen angemeldeten Kinder, doch ich könne nur jemanden anstellen der oder die etwas vom Zeichnen versteht," sagte ich. Da begann er unerwartet zu lachen und bat mich eine Weile um Geduld und Ruhe. Er grübelte eine Sichtmappe aus der Tasche und sagte:"Da, schau!" Es war etwas schwierig, mit ihm zusammen die Bilder stehend anzusehen; denn er war fast doppelt so hoch wie ich. Entweder musste ich einen Stuhl holen, oder er musste auf den Boden knien. So bat ich ihn dann, im Zeichnungshüttchen Platz zu nehmen, wo er sich so verkrümmt hinsetzte, als ob er kein Rückgrat hätte. Nun waren wir gleich gross und konnten die Fotos seiner Bilder betrachten.
Sehr interessante Bilder mit starken Farben und Formen. Die Figuren waren vielfach transparent überlagert und aussagekräftig. Wo er das gelernt hätte, wollte ich wissen; denn ich konnte kaum glauben, dass er der Künstler dieser schönen Bilder war. Da zeigte er mir sein Diplom, das er letztes Jahr im College für Künste in Windhoek erhalten habe. Dann zeigte er mir noch die letzte Foto:
Ein schrecklich eifriger, dunkler Bulle in der Mitte, und in interessanter Anordnung standen um den geilen Bullen etwa 3 Dutzend schön geformte Kühe mit prächtigen Hörnern und Augen.  Dann begann der Mann zu reden: "Der Ochse ist mein Vater, ein sehr reicher Mann mit vielen Farmen. Die Kühe sind all seine Frauen." Als ich zu lachen begann, sagte er, dass er 249 Geschwister habe, und an Weihnachten habe er alle begrüssen können; ein schönes Fest sei es gewesen. Der jüngste Bruder sei 4 und der älteste etwa 30 Jahre alt. Es hätte so viel zu erzählen, zu trinken und zu essen gegeben.
ich staunte; denn noch nie habe ich einen Namibier getroffen, der nicht zuerst das Trinken und Essen vor dem Sozialen erwähnte. Doch dieser da nannte zuerst, dass es viel zu erzählen gegeben habe. Er wurde mir langsam sympathisch. Die Türe ging auf, und die Sekretärin kam mir dem Stadtpräsidenten in kurzer Hose und überhängendem Hemd herein (es war eben sehr heiss). Er begrüsste uns freundlich und fragte den Mann im schwarzen Anzug, was er da wolle. "Arbeit", stotterte er hervor. Ich zeigte ihm sie Foto mit dem Ochsen und den Kühen und erzählte den Transfer als Witz. Nach einer Weile Staunens sagte der Präsident, dass er diesen Mann persönlich kenne, der reiche Owambo mit den Dutzenden Frauen und den Haufen Kindern. Dann fragte er den Künstler, wie viele Kinder er selbst schon habe:"Keine, ich bin nicht wie mein Vater!" Die Jugendlichen, die heimlich vor den Fenstern draussen zugehört hatten, konnten ihr Lachen nicht mehr unterdrücken. Da holte ich sie rein:"Setzt Euch, der Mann hier macht mit Euch eine Probelektion im Zeichnen." Er zog einen Stift und Block aus der Tasche und mit wenigen Strichen zeichnete er die Gesichter der Jungen auf die Blätter, und alle waren erkennbar. Wir staunten, und die Angst vor diesem schwarzen Mann hatte sich in Respekt verwandelt. Er solle morgen wieder kommen, bat ich ihn.

1 Kommentar:

  1. Liebe LIs
    da bin ich aber sehr gespannt, wie diese Geschichte weiter geht, bzw. weiter gegangen ist.
    en herzliche Gruess us de winterlichen Schwiz
    Simone

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