immer wieder werde ich gefragt, warum ich mit so einer Passion die harte Arbeit in Namibia immer noch leiste, anstatt mich auszuruhen, und was hatte mich vor 30 Jahren in dieses harsche Land getrieben, da doch die Schweiz so viel bequemer sei.
Solche Fragen bringen mich in Verlegenheit;denn sie sind kaum zu beantworten. Vielleicht sind es die ganz wenigen Momente aus der Kindheit, die kurz, aber so tief waren, dass sie mich dabei auf eine andere Ebene versetzten, die ich nur in diesen damals erlebten Bildern zu beschreiben imstande bin:
1. Mein Vater setzte eine Schallplatte auf und lehnte sich auf das Sofa in der Stube. Ich setzte mich zu ihm hin. Dann legte er seinen Arm um meine Schultern und fragte mich, welche Instrumente ich aus dieser Musik erkennen könne. Ich hörte Geigen und vor allem den Herzschlag meines Vaters. Dieser Moment versetzte mich in eine Atmosphäre unendlicher Sicherheit, die ich nie vergessen habe.
2. Ein weiterer Moment hat mich geprägt: Ich war etwa 8 Jahre alt, als ich mit einigen meiner Geschwister auf dem Estrich ein Theater improvisierte. Plötzlich rief uns die Mutter, herunter zu kommen. Ich aber folgte nicht sofort dem Befehl, weil ich einfach nicht konnte; denn ich drehte einen Hebel an einer alten Schallplattenkiste, und eine wunderschöne Melodie ertönte, die mich entzückte. Es war die kleine Nachtmusik von Mozart. Ein Bruder rief, ein Geist würde mich holen, wenn ich nicht sofort herunterkäme. Ich umklammerte fest die Kiste mit dem linken Arm, während die Rechte weiter kurbelte. Ich genoss diese Musik, und nichts in der Welt konnte mich stören, nicht einmal die Dunkelheit, als einer dieser Brüder die Sicherung ausschraubte. Diese Musik versetzte mich in eine ganz andere Welt, in eine angstfreie, erlöste, helle Atmosphäre.
3. Ich saß in der Gesangsstunde beim 6. Klass Lehrer, den wir wegen seiner Schlägerei oft fürchteten. Er spielte mit einer Hand auf dem Klavier und sang dazu das Lied: Ich hattˋ einen Kameraden, einen besseren findest Du nicht; er hörte plötzlich auf zu singen, und es kollerten Tränen über seine Wangen. Wir durften heimgehen. Es war Spätherbst, auf dem Heimweg schaute ich den letzten Blättern zu, die von den Bäumen fielen. Mich fror es . Zu Hause fragte ich den Vater, ob er mir nicht das Lied: Ich hatt einen Kameraden auf dem Klavier vorspielen und dazu singen würde. „Spielen ja, aber nicht singen.“
Er setzte sich ans Klavier und spielte mit beiden Händen. Es war eindringlich traurig, aber auch schön. Dann erklärte er mir, dass dieses Lied aus der Zeit des Krieges stamme. Warum denn mein Lehrer in der Schule geweint hatte, als er dieses Lied sang, wollte ich wissen. Da lachte mein Vater:“Es ist besser zu weinen, als Schüler zu schlagen“.
So ist meine Antwort auf die Frage, warum ich denn immer noch in Namibia weiter arbeite.
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